Gedanken und Briefe
Vor meinen geschlossenen Lidern sehe ich das liebliche Anlitz meiner Frau und meiner Kinder. Die Umarmung meiner Seele gilt ihnen in dieser Stunde. Ich weiss, wie schwer es ihr fiel, mich gehen zu lassen. Gerade jetzt, wo die beiden Kleinen da sind. Und noch schwerer fiel es mir, meinem Auftrag zu folgen. Doch ein einmal gegebenes Wort darf nicht gebrochen werden. Und vielleicht sichert der Erfolg dieses Unternehmens ihre Existenz. Ich sehe ihr feines Haar, die dunklen Locken, die ihr Gesicht umrahmen. Das Grün ihrer Augen erinnert an die tiefe weite See. Rheneys helle Stimme und Nyrais so ernstes Gesicht begleiten mich hinab in eine kurze Phase der Ruhe. Ich vermisse euch schon jetzt so sehr. Doch so Malorne will, werden wir schon bald wieder vereint sein. Ich werde meiner Liebsten noch ein paar Zeilen schreiben. Ihre Tage sollen nicht mit Sorge um mich erfüllt sein.

Mein liebes Kätzchen,

Ich hoffe, ihr seid wohlauf und habt die letzten Tage seid meinem Aufbruch gut überstanden. Meine Reise hat mich sicher an die Küste von Tanaris geführt, wo ich die letzte Nacht verbringen werde, ehe das Unternehmen beginnt. Die Ausrüstung ist gut und die Mannschaft macht einen soliden Eindruck. Die uns begleitenden Söldner scheinen ihr Handwerk zu verstehen. Morgen schließen wir uns der Karawane an und werden den ersten Pass durchschreiten. Ich weiss noch nicht, wann ich wieder die Möglichkeit habe, dir zu schreiben. Es ist ein unwegsames unbekanntes Land, in das wir bei Sonnenaufgang reisen werden. Über mir leuchten unzählige Sterne. Ein Sternenschweif löst sich aus ihrer Mitte. Möge er euch meine Liebe bringen. Gib den Kindern einen Kuss von mir und sag ihnen, das Papa an sie denkt. In meinen Gedanken verweile ich bei euch , egal wohin mein Weg mich führen wird.

In inniger Liebe, Angren.

Segne deinen ergebenen Diener in deiner Güte.

Auf die folgende Seite ist ein Brief geklebt, dessen Handschrift eine andere ist.

Mein geliebter Gatte,
 
sei unbesorgt – hier geht alles seinen gewohnten Gang. Die Kinder vermissen dich sehr, doch sie verstehen, dass kein magisches Wesen das Essen auf unseren Tisch zaubert, sondern du. Sie lassen dich innig grüßen und wollten dir auch etwas zukommen lassen. Nyrai hat einen merkwürdigen Stein gefunden, ein Stück einer Mauer so scheint es, den er dir abgezeichnet hat. Rheney hat dir ein Bild gemalt – du badend im Meer. Sie lässt dir sagen, wenn du mitten in der Wüste bist und das Bild ansiehst, geht es dir gleich besser.
 
Vor dir liegt ein großes Abenteuer, ich wünsche dir von Herzen die Erlebnisse und Entdeckungen, die du dir ersehnst. Und die Kraft, das Durchhaltevermögen und das Geschick, unversehrt zu uns zurückzukehren. Bitte gib zu jeder Tages- und Nachtzeit auf dich Acht, lass dich nicht von deiner wissenschaftlichen Begeisterung hinreißen, unnötige Risiken einzugehen. Meine Gedanken und meine Liebe werden dich stets begleiten.
 
In Liebe,
dein Kätzchen

Daneben finden sich die beiden von Kinderhand gezeichneten Bilder. Alle Schriftstücke sind mit äusserter Sorgfalt behandelt worden.